In bunten Farben strahlt das Licht in den Kirchraum, die Glocken läuten und bald wird es Zeit, aufzustehen. Wie schläft es sich in einer Kirche?
Gestartet wurde das Projekt 2017, als mit der Vision einer Her(r)bergskirche zum allerersten Mal die zukünftigen Projektpartner*innen in der Michaeliskirche aufeinandertrafen. Die Idee war, die Kirche in einer einwöchigen, partizipativen Ideenwerkstatt in eine temporäre Herberge zu verwandeln, in der ein Team aus Vertreter*innen der Kirchengemeinde, Bewohner*innen und Architekt*innen aus Berlin, Wien und Leipzig zusammen das Potenzial der Kirche erprobten.
Zu Beginn ahnte niemand, was diese Woche für Dynamiken auslösen würde. Es gab einen gemeinsamen Sushi-Abend vor dem Altar, einen Kinoabend und Yogakurse. Der Rennsteigchor wurde eingeladen, man sang zusammen und die Dorfälteren erzählten Geschichten in einer Märchenrunde. Alles gipfelte in einem festlichen französischen Essen.
Die Werkstatt schweißte das Team zusammen und ließ die Dorfbewohner*innen aus einer ganz neuen Perspektive auf ihre Kirche blicken. Und der zündende Funke erlosch nicht. Nur kurze Zeit später gestaltete die kleine Arbeitsgruppe einen ersten Schlafsatelliten, aus dem 2018 eine fest installierte Schlafnische in der Kirche wurde, die sich mittlerweile als Prozessergebnis unbemerkt in den Raum einfügt und bis zu drei Personen Platz zum Schlafen bietet. Man schläft geschützt, aber dennoch im geheiligten Raum, in Anwesenheit des Kreuzes. Zeitlich begrenzt ist das Schlafen auch, denn morgens um acht kann schon mal die Vorbereitung für eine Hochzeit oder eine Beerdigung beginnen. Der intime Moment des Schlafens wird dem Raum anvertraut: Deshalb wurde große Sorgfalt in die Positionierung und die Ausgestaltung der Bettstatt gelegt.
Weitere Umbauten und Verbesserungen, wie der Einbau sanitärer Anlagen, sind inwischen fertig gestellt. Es ist einfach und dennoch sehr besonders, vom farbigen Schein der herrlichen Fenster aus den 1960er-Jahren geweckt zu werden. Diese Aura umfängt die Gäste, aber sie ist nicht nur auf den Raum zurückzuführen, sondern auch auf die Gastfreundschaft.
2017 schliefen 300 Personen in der Kirche, fast jeden möglichen Tag war die Kirche ausgebucht, ebenso 2018 und 2019, wofür nicht nur das positive Presseecho sorgte. Horst Brettel, eigentlich Vorsitzender des Gemeindekirchenrates, ist die gute Seele des Projekts und Herbergsvater. Er kümmert sich mit vollem Einsatz um die Gäste, holt sie ab, fährt sie zum nächsten Supermarkt. Gleichzeitig ist er Touristenführer und Netzwerker. Mittlerweile ist sein Team auf sechs Personen angewachsen. Da sind unter anderem Ursel, die die Wäsche wäscht, und Beate, die das Essen macht. Sie alle heißen die Gäste willkommen, holen sie ab und umsorgen sie. Sie haben sich die Gastfreundschaft zur Aufgabe gemacht und erfreuen sich daran. Der Dank und die Freude der internationalen Gäste ist ihr Lohn.
Alle ziehen an einem Strang, um die Herberge zu erhalten.
Neben dem erfolgreichen Pilot- und IBA Projekts in Neustadt sind 2020 die Orte Tambach-Dietharz und Spechtsbrunn hinzugekommen. 2022 kam Hirschberg/ Saale zur Famile hinzu. Die Kirchen- und politischen Gemeinden befinden sich schon im Dialog. In Tambach-Dietharz gab es bereits eine Workshop-Werkstatt. Ziel ist, dass bis Ende 2023 insgesamt fünf Projekte entstehen, die sich als Zünder oder Multiplikatoren für das weitere Erkunden einer gesamten Region verstehen. Mit jeder Übernachtung, jedem gemeinsamen Essen und jedem Gespräch wird dann ein Stück Gemeinschaft geschaffen. In den jeweiligen Orten wachsen wieder kleine Interessensgruppen, die zusammen eine Aufgabe stemmen.
https://www.herrbergskirchen.org/de
studio etcetera (begleitende Planung)
Ulrike Rothe (IBA Projektleiterin)
ulrike.rothe@iba-thüringen
HER(R)BERGE in Neustadt a.R.
Kirchengemeindeverband Neustadt-Altenfeld
vakant
Horst Brettel (Vorsitzender KGV)
neustadt@kirche-arnstadt-ilmenau.de
HER(R)BERGE in Tambach-Dietharz
Kirchgemeinde Tambach-Dietharz
Pfarrer Lars Reinhardt
Andrea Lehmann (Organisation Turmherberge)
andrea@matyazo.de
Anke Stirtzel (Organisation Turmherberge)
anke.stirtzel@gmail.com
HER(R)BERGE in Spechtsbrunn
Kirchgemeinde Spechtsbrunn/Haselthal und Haselbach
Pfarrer Jörg Zech
Dolores Dirschauer (Gästebetreuung Herrbergskirche)
gasthaus_am_rennsteig@t-online.de
Chris Schönfeld (Vorsitzender Gemeindekirchenrat)
chris.nano@live.de
HER(R)BERGE in Hirschberg/ Saale
Frau Elke Rosewich
elke@rosewich.de
2023
Neue Her(r)bergskirche in Hirschberg
Entwicklung einer übergreifenden Trägerstruktur
REVIEW 2022
Ausstellung des Künstlers Issak Broder in der Lutherkirche Tambach-Dietharz, der im Rahmen der Ideenwerkstatt das Turmzimmer der Kirche bewohnte
Ein neuer Call-for-Artists für die Turmher(R)berge 2022
Start der neuen Webseite www.herrbergskirchen.org
Entwicklung eines 4. Her(R)bergsstandortes: Hirschberg/ Saale
Nextpractise
Neugierig geworden? In der Zoom-Reihe ›nextpractice StadtLand‹ informiert die IBA Thüringen Projektinteressierte über das StadtLand und eine Baukultur made in Thüringen. Der Projektinitiator Hannes Langguth berichtet detailliert von den Her(r)bergskirchen, gelungenen Umsetzungen und praktischen Tipps.